Einwanderungsland Deutschland: Egoismus oder Entwicklungshilfe?

Es sind mittlerweile über 30 Jahre her, seit ich damals in der politischen Jugendorganisation über das Thema „Ist Deutschland ein Einwanderungsland“ diskutiert habe. Geändert hat sich seit dem nichts, auch meine grundsätzliche Meinung zu diesem Thema eigentlich nicht. Und die sitzt nach wie vor zwischen beiden Stühlen…

Das wir nicht einfach die Türen aufmachen können und jeden, der in unser schönes Land möchte, auch einlassen können, das haben die letzten Jahre gezeigt. Als die Flüchtlingswelle über den Atlantik schwappte, da haben wir in einer Kraftanstrengung gezeigt, dass wir sehr wohl eine große Anzahl von Einwanderungswilligen aufnehmen können. Aber es hat sich auch gezeigt, dass unsere Kapazitäten irgendwann erschöpft sind, die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht grenzenlos ist und der soziale Frieden gefährdet wird, wenn es „zu viel“ wird. Da geht es trotz multikulturell sein, auch um eigene kulturelle Identität, um Ängste von einzelnen Menschen und um rein faktisch auch um ausreichenden Wohnraum und das Halten des eigenen Lebensstandards.

Auf der anderen Seite haben „Experten“ schon vor 30 Jahren erkannt, dass wir aus eigener Kraft unseren Lebensstandard auch nicht halten können. Stichworte waren „Facharbeitermangel“, „Rentenlücke“ und jetzt aktuell auch „Pflegenotstand“. Wir holen gerade vermehrt osteuropäische Menschen in unser Land, weil wir selbst nicht genug Pflegekräfte haben. Wir brauchen also einen „gesunden“ oder „geregelten“ Zuzug von ausländischen Arbeitskräften in unser Land. Warum also uns dann nicht als Einwanderungsland nennen und nach amerikanischem Vorbild Green-Cards verteilen? Denjenigen, den wir brauchen, den lassen wir uns unser Land, die anderen mögen bitte draußen bleiben, damit unser Wohlstand nicht gefährdet wird.

Letzteres ist vermutlich ein wenig spitz formuliert, aber tatsächlich läuft es so ab. Ich habe selbst über die Tandem-Community jemanden aus Kamerun kennengelernt. Diese Frau würde gern nach Deutschland kommen, sie würde auch gern im Pflegebereich arbeiten. Was aber ist bislang passiert?
Das Visum für eine Aupair-Stelle wurde abgelehnt. Sie konnte nicht nachweisen, dass ihr der Aupair-Aufenthalt in Deutschland weiterhilft. Man befürchtete offenbar, sie könnte hier untertauchen und illegal im Lande verweilen.
Sie hat sich beworben, um hier eine Pflegeausbildung zu bekommen. Das Ergebnis war wieder negativ. Es gibt spezielles Personal in Krankenhäusern, die sich um die Integration von ausländischen Kräften kümmern. Aber dieses Personal muss bereits eine abgeschlossene Ausbildung im (Kranken-) Pflegebereich besitzen. Wir bilden nicht aus, wir wählen (s. Greencard) nur diejenigen aus, die bereits jetzt perfekt unsere Lücken schließen können.

Wo bleibt da das verantwortliche Handeln? Wir geben Milliarden von Euro an Entwicklungshilfe aus. Aber wenn Entwicklungsländer Leute entwickelt hat, als Informatiker, als Krankenpfleger, als was auch immer… dann stellen wir fest, dass wir diese Leute bei uns im Land gebrauchen können und lassen sie einreisen. Gerade diese Kräfte werden aber doch im Entwicklungsland selbst gebraucht, damit es sich entwickeln kann!

Wie wäre es denn alternativ damit, Bürger aus Entwicklungsländern hier auszubilden? Ein früherer Chef hat einmal zu mir gesagt: „Mir ist eigentlich egal, was die Leute können, die sich hier bewerben. Das Fachliche bringen wir ihnen hier bei – sie müssen menschlich ins Team passen“. Wahre Worte, wie ich finde.
Wir haben früher sehr oft über Bedarf ausgebildet. Ein kleiner Elektrobetrieb kann nicht jeden Auszubildenden übernehmen. Aber Entwicklungsländer haben einen hohen Bedarf an Personal, die helfen können, ihr Land zu entwickeln.

Also lassen wir doch Leute in unser Land, die etwas lernen wollen. Lasst doch Nicht-EU-Bürger in unser Land einreisen und gebt ihnen für die Dauer der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis. Nach der Ausbildung dürfen sie sich entscheiden, ob sie in ihr Land zurück möchten und helfen, es aufzubauen, oder hierbleiben und unseren Fachkräftemangel auszugleichen. Diese Art von Entwicklungshilfe kostet uns nicht einmal Geld – abgesehen von ggf. einem anfänglichen Mietzuschuss bis zum Beginn der Ausbildung für wenige Wochen. Lasst uns Einwanderungs- und Entwicklungshilfepolitik zusammennehmen und verantwortungsbewusst ausländische Bürger aufnehmen und ausbilden.

Was denkt ihr dazu? Schickt mir über die Kontaktseite gern eure Meinung oder Fragen. Vielleicht bin ich ja auch völlig auf dem Holzweg, dann holt mich ab 😉

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