Es liegt in der Natur des Menschen zu übertreiben. Um ein Lob zu bekommen, gehen wir in Teilen weite Wege. Und oft preschen Menschen hervor, meinen Dinge herauszuhören, die so gar nicht gemeint waren – insbesondere ist das ärgerlich, wenn sie selbst gar nicht betroffen sind.
Hierzu einige Beispiele:
- Es gibt den Ort Negernbötel im Kreis Segeberg. „Negern…“ ist das nicht dieses N-Wort, das niemand mehr sagen darf? Zumindest die Jungen Grünen wollten wohl mal wieder in die Öffentlichkeit und forderten die Umbenennung dieses rassistischen Ortes – natürlich ohne, dass sich jemals ein Betroffener (also in diesem Fall dunkelhäutiger Mensch) hierüber beschwert hätte.
Und tatsächlich ist die Herkunft des Ortsnamens deutsche Sprachgeschichte, stammt sie doch aus dem Plattdeutschen und bedeutet „Näher zu der Siedlung“. Aber da es gerade modern ist das „N-Wort“ überall anzuprangern, warum nicht auch hier? (Quelle: https://www.rnd.de/panorama/rassistischer-ortsname-junge-politiker-fordern-umbenennung-des-ortes-negernboetel-YFLKK5QENVD3ROJ5C3Q5WOKBU4.html )
- Der Begriff „N-Wort“ an sich ist für mich schon seltsam und erinnert mich an Harry-Potter. Lord Voldemort war derjenige, „der nicht genannt werden darf“, nur wenige trauten sich, seinen Namen auszusprechen. Wie können wir denn ein Wort so ächten, dass es nirgends mehr auftaucht? „Frau Baerbock hat das N-Wort gesagt“, steht hier zu lesen, aber ich konnte bis heute nicht herausbekommen, ob sie nun das aus meiner Sicht abfällige, weil für schwarze Sklavenarbeiter genutzte „Nigger“ oder das für mich bisher neutrale „Neger“ gesagt hat. Dem Artikel nach wollte sie auf diskriminierende Sachverhalte hinweisen. In diesem Zusammenhang ist es sogar eher ein Zitat. Doch selbst das wird uns bereits nicht mehr zugestanden? Wir dürfen noch nicht einmal mehr sagen, welche Äußerung uns konkret stört, weil wir dann bereits selbst rassistisch sind? Dürfen wir denn noch wie in der Schule singen „Schwarze, Weiße, Rote, Gelbe, Gott hat uns alle lieb“ – oder machen wir damit bereits wieder rassistisch unzulässige Unterschiede?
Laut Wikipedia ist tatsächlich „Neger“ (ja, die Seite darf tatsächlich noch existieren) das N-Wort, obwohl es sich lediglich aus dem Begriff für „schwarz“, also dunkelhäutig ableitet. Doch sind es nicht wir Menschen selbst, die einem Wort erst seine Bedeutung geben? Wie ich gerade aus dem Konfirmationsunterricht meines Sohnes gelernt habe, ist ja auch „Putzfrau“ neuerdings sexistisch, obwohl er mir lediglich einfacher als „Reinigungsfachkraft“ über die Lippen kommt und ich auch genauso von einem „Putzmann“ oder einer „männlichen Putzfrau“ sprechen würde, wenn es sich um eine männliche Reinigungskraft handelt.
- Zahlreiche Kommunen haben einen „Mohren“ in ihrem Wappen. Als Beispiel sei hier auf Freising verwiesen. Hier gibt es eine ausführliche Darstellung zu dem Thema https://www.kreis-freising.de/pressemitteilungen/details/news/detail/News/das-bekroente-haupt-des-afrikaners-im-landkreiswappen-geht-auf-die-freisinger-bischoefe-im-13-jahrhun.html. Offenbar gibt es einige, die das Negative suchen und die Titulierung „Mohr“ vom lateinischen mōrus (dumm, töricht) herleiten. Jedoch, so Freising, sei diese Bedeutung erst nach der Verbreitung des Wortes im deutschen Sprachgebrauch entdeckt worden. Tatsächlich handele es sich bei dem „bekrönten Mohrenhaupt um einen „Ausdruck fürstlicher Souveränität“.
Und im Ernst: Wer glaubt denn, dass Gasthäuser und Apotheken mit dem Namen „Zum Mohren“ oder „Mohrenapotheke“ sich freiwillig selbst diskriminieren?
- Die Krone aufgesetzt hat dann in der Tat für mich der Spielabbruch in der Fußball-Drittliga-Partie zwischen dem MSV Duisburg und dem VfL Osnabrück am 19. Dezember 2021. Das Spiel wurde abgebrochen, nachdem ein Zuschauer angeblich Affenrufe gemacht hatte und den dunkelhäutigen Spieler Opoku einen „Affen“ genannt hätte. Dieser war danach psychisch so zerstört, dass ein Weiterspielen nicht mehr möglich war. Wie war wohl Oliver Kahn damals zumute, als die gegnerischen Fans ihm gegenüber häufig in hämischer Weise diese Affenlaute geäußert hatten, ganze Fanblöcke diese skandiert hatten?
Aber die Posse ist nicht vorbei, denn es ermittelte nun sogar Staatsschutz und Staatsanwaltschaft ermittelten und der Niedersächsiche Innenminister zeigte sich betroffen. Doch das Ergebnis der Ermittlungen überraschte: Es war nicht Opoku gemeint, sondern der hellhäutige Spieler Kleinhansl. Da dieser nicht schwarzhäutig ist, wurden die Ermittlungen eingestellt.
Ergo: Einen schwarzhäutigen Menschen „Affe“ zu nennen, ist strafbar, einen weißhäutigen nicht. Ist das nicht rassistisch? (Quellen: https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-keine-rassistische-beleidigung-vor-spielabbruch-in-duisburg-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-220120-99-782826
https://www.focus.de/sport/fussball/liga3/rassismus-eklat-im-drittliga-spiel-zwischen-duisburg-und-osnabrueck-du-affe-kannst-eh-keine-ecken-schiessen-55-jaehriger-zuschauer-gesteht-beleidigung-im-stadion_id_27223341.html
Ich denke, es täte uns gut, uns ein wenig zurückzuhalten. Wenn sich tatsächlich jemand unfair behandelt fühlt, dann darf er das sagen – und dann hat er (hoffentlich) auch unser aller Unterstützung auf seiner Seite. Aber grundsätzlich gibt es im Leben Sender und Empfänger und zunächst sollten die beiden sich auseinander setzen, Missverständnisse klären und ggf. auch neutrale Dritte als Moderator hinzuziehen. Versuchen wir doch erst einmal zu verstehen, was der Sender denn tatsächlich im Sinn hatte, anstelle ihn aufgrund einer angeblich allgemein vorherrschenden Auffassung vorzuverurteilen – denn auch das ist eine Art von Diskriminierung.
Effektheischend einfach die deutsche Sprachgeschichte zu verdrehen oder Leute, die nichts Böses im Sinne hatten, in die Ecke zu stellen, hilft sicherlich niemandem weiter bzw. verkürzt sachliche Diskussionen in unfairer Art und Weise.
Ich esse weiterhin gern meine Negerküsse, meinen Berliner und auch mein Zigeunerschnitzel. Und in keinem Moment denke ich dabei negativ (ist der Begriff eigentlich noch zulässig oder zu stark an das N-Wort angelehnt?) an eine bestimmte Volksgruppe. Wenn überhaupt,, dann bedanke ich mich bei dem Volk der Sinti und Roma für das schmackhafte Rezept.