Sollten wir unsere Gesetze entmisten?

Ich erlebe es bei mir tlw. leider recht extrem: Früher wohnte ich in einer 1,5-Zimmer-Wohnung und mein Hausrat war endlich. Dann kam der Umzug in eine 3-Zimmer-Wohnung, danach in ein Haus – und mittlerweile ist selbst das Haus zu klein für all die Dinge in meinem Besitz. Peu à peu sammelt sich immer mehr an und vieles von den Dingen brauche ich eigentlich nicht mehr. Zeit, endlich mal auszumisten.
Doch geschieht dies nur bei Hausrat – oder ist das zunehmend menschlich, dass man neue Dinge in sein Leben aufnimmt ohne dabei alte, die man eigentlich nicht mehr benötigt, wieder gehen lässt? Oder konkret gesagt: Wie sieht das bei unseren Gesetzen aus?
In Deutschland haben zum Stichtag 2. Februar 2022 1.773 (Bundes-) Gesetze mit 50.738 Einzelnormen gegolten. Zum selben Stichtag galten 2.795 Rechtsverordnungen mit 42.590 Einzelnormen. Zum Vergleich: Zum 1. Januar 2010 galten 1.668 Gesetze mit 43.085 Einzelnormen und 2.655 Rechtsverordnungen mit 36.850 Einzelnormen. (Quelle: (https://www.lto.de ) Mit anderen Worten: Allein in den letzten 12 Jahren wurde die Anzahl der Bundesgesetze um mehr als 6 % gesteigert. Hinzu kommen Landesgesetze,, Kommunalverordnungen etc. Brauchen wir tatsächlich eine derart große Zahl an Gesetzen?
Wer hat nicht schon einmal über die Absurditäten der US-Gesetze gelacht? Googlet man nach „Absurde Gesetze USA“ bekommt man u.a. auf www.reisewurt.com u.a. folgenden Abschnitt:
„Ein Gesetz verbietet den Besitz von Kombizangen. – Es ist verboten Graffitis auf fremde Kühe zu sprühen. – Wenn man steht, darf man nicht mehr als 3 Schluck Bier auf einmal trinken. – Ein Gesetz verbietet es den Bürgern des Staates, am Wahltag mit einem Schwert oder Speer bewaffnet im Wahllokal aufzutreten.“
Doch man braucht gar nicht mit dem Daumen auf andere (hier: USA) zeigen, denn Deutschland hält hier mittlerweile munter mit. Radio energy hat eine nette Sammlung von Rechtsvorschriften in Deutschland gesammelt (https://www.energy.de/news/kuriose-gesetze-in-deutschland):
Beispiel: In Bad-Sooden-Allendorf ist die Nutzung eines farbigen oder schwarzen Sonnenschirms verboten, nach StVO dürfen blinde Menschen drei Stunden lang Anwohnerparkplätze nutzen und im eingeschränkten Halteverbot parken – man fragt sich nur warum, denn einen Wagen fahren dürfen sie ja nicht.
Und noch konkreter: Der Main-Kinzig-Kreis hat löblicherweise beschlossen, der Schulbetreuung in seinem Landkreis finanziell unter die Arme zu greifen. Aber im Gegenzug will er über das, was viele Jahre gewachsen ist und funktioniert, nun mitbestimmen: Er schreibt nicht nur die Betreuungszeiten und die Betreuungsentgelte vor, er bestimmt über die Qualifikation der Angestellten und am liebsten noch über die Schließzeiten in den Ferien. Das hier je nach Ortschaft andere Strukturen und ein anderer Bedarf herrscht, ist ihm hierbei egal.
Es ist leider in der Natur des Menschen begründet, Macht, die er einmal besitzt, auch auszunutzen. Es muss ein tolles Gefühl sein, anderen vorschreiben zu können, was er zu tun und zu lassen hat. Also wer an der Gesetzgebung beteiligt ist und den etwas stört: Warum dann nicht gleich mal ein Gesetz daraus machen? Deine Mieterin hat eine so schrecklich neon-farbene Matte vor ihrer Tür liegen? Dann veranlasse doch schnell mal ein Gesetz, das neonfarbene Matten verbietet. Dein Freund hat ein schnelleres Auto als du und das wurmt dich? Dann schau doch, dass du endlich ein Tempolimit durchbekommst.
Doch genug der Ironie, lasst uns mal wieder ernsthaft auf das Thema schauen. Gesellschaft wandelt sich und Dinge, die früher mal wichtig waren, haben heute vielleicht gar keine Bedeutung mehr. Oder Gesetze greifen zwar (Tempolimit) werden jedoch nicht ausreichend kontrolliert (die meisten Unfälle passieren nicht auf Strecken ohne Tempolimit sondern im Baustellenbereich, in dem nur 60 km/h zugelassen – aber nicht eingehalten werden). Manchmal sind auch Maßnahmen bereits eingeleitet (CO2-Abgaben), um ein Verhalten der Verbraucher und der Industrie zu steuern – dann kann man auch die Wirkung zunächst abwarten, bevor man Verbote draufsetzt (z.B. Verbrennermotor).
Wofür benötigen wir überhaupt Gesetze?
Grundsätzlich sind Gesetze da, um das Zusammenleben von so vielen Menschen zu regeln. Hierbei gilt zunächst der wesentliche Grundsatz unseres Grundgesetzes: „(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“
Mit anderen Worten: Ich kann tun und lassen, was ich will, solange ich dabei niemanden störe, ihn in seiner eigenen Freiheit einschränke. Darüber hinaus sollten Gesetze natürlich auch die Beziehungen des Einzelnen zum Staat regeln, insbesondere, wann er entsprechende Transferleistungen des Sozialstaates bekommt und auch eine Verlässlichkeit untereinander gewähren (z.B. ein grundlegendes Vertragsrecht).
Doch betrachten wir einmal die heutigen Gesetze. Wie viele davon beziehen sich tatsächlich auf diese Grundsätze? Wessen Recht schränke ich ein, wenn ich mich im Auto nicht anschnalle? Wen störe ich, wenn ich beim Motorradfahren keinen Helm aufsetze? Wir kommen hier sehr stark in die Diskussion, wie groß denn der Schutzanspruch des Staates gegen den Einzelnen ist. Wenn ich mir mit dem Messer einen Finger abschneiden will, darf der Staat mir das verbieten? Wenn ich einen Hubschrauber hätte und ein Grundstück weit außerhalb der Wohnbebauung: Warum darf ich dort nicht landen?
Lasst uns einmal alle unsere Gesetze durchforsten und hart danach bewerten, ob sie tatsächlich verhindern, dass ich die Freiheit eines anderen einschränke oder für ein verlässliches miteinander eine Basis bilden – und alle anderen Gesetze streichen. Ich bin mir sicher, dass weniger als die Hälfte des Rechtsvorschriften dieses Landes übrig bleiben würden.
Und um eines dabei klarzustellen: Ich liebe dieses Land und seine Ordnung. Und genau aus diesem Grund halte ich es für wichtig, unsere Gesetze zu entrümpeln. Denn tun wir es nicht, dann findet diese Entrümpelung auf sehr radikale Weise statt: Und ich möchte keine Revolution, ich will gern weiter in Frieden und (meiner individuellen) Freiheit weiter mit euch zusammenleben.

In Bad-Sooden-Allendorf  ist die Nutzung eines farbigen oder schwarzen Sonnenschirms verboten, nach StVO dürfen blinde Menschen drei Stunden lang Anwohnerparkplätze nutzen und im eingeschränkten Halteverbot parken – man fragt sich nur warum, denn einen Wagen fahren dürfen sie ja nicht….